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Geschichte des Aluminiums im Rahmenbau, Kurzer Lehrgang

5. Februar 2015

Rahmen aus Aluminium baue ich relativ selten. Nicht, weil ich es für ein schlechtes Material hielte, sondern weil es kaum jemand haben möchte. Sein Ruf ist momentan einfach nicht besonders gut. Das hat natürlich Gründe.

Im hochwertigen Rahmenbau kamen Rahmen aus Aluminium mit den Mountainbikes in den 80er Jahren auf, vor allem Cannondale und Klein haben Pionierarbeit geleistet.* Deren Rahmen waren nach heutigen Maßstäben gar nicht so leicht, der Maßstab damals war aber immer noch der gemuffte Stahlrahmen. Und da waren sie nicht nur deutlich leichter, sondern auch deutlich steifer. Und das bei guter Haltbarkeit: Viele dieser frühen Cannondales und Kleins fahren heute noch durch die Gegend. Sie waren eben nicht zu leicht, gut gemacht und ohne viel Schnickschnack.

So richtig los mit dem Aluminium im Rahmenbau ging es aber erst, als der Rohrhersteller Easton sich des Themas angenommen hat und begann, Rohrsätze aus 7005er Aluminium zu fertigen. Da 7005er Aluminium eine höhere Festigkeit besitzt als das vorher verwendete 6061er Material, wurden die Rohrwandstärken gleich mal deutlich reduziert. Zudem hat 7005er Aluminium die Eigenschaft, die Festigkeit nach dem Schweißen selbst wieder zu erlangen, praktisch durch Herumliegen. 6061er dagegen muß recht aufwendig wärmebehandelt werden. Beste Voraussetzungen also, günstig sehr leichte Rahmen zu bauen.

Und das haben viele Hersteller dann auch getan. Weil gleichzeitig die Zeit war, als alle möglichen Fahrradkomponenten sichtbar gefräst (und bunt) sein mußten, wurden auch die Teile für den Rahmenbau möglichst befräst. Leider ist Fräsen nicht besonders optimal, was die Entstehung von Rissen angeht. Und leider hat sich auch herausgestellt, daß 7005er Aluminium recht rißempfindlich ist, wenn es nicht wärmebehandelt wird. Aber in den folgenden Jahren wurden Aluminiumrahmen durchaus weiterentwickelt und haben sich als sehr brauchbar erwiesen.

Bis Carbonrahmen kamen, die deutlich geringere Gewichte erreichen. Seitdem ist Aluminium nur noch das Material für billige Rahmen und mit entsprechendem Image versehen. Denn gegen Carbon kann man mit Metall das Rennen um das geringste Gewicht nicht gewinnen.

Ich halte viel davon, für meine Rahmen das jeweils sinnvollste Material zu verwenden. Allerdings beschränke ich mich bei meinen Rahmen auf Metall. Nicht, weil ich Carbon für ein schlechtes Material halte, sondern weil meine Rahmen alltagstauglich sein sollen. Zum Alltag eines Radfahrers gehören für mich ein umgefallenes Rad oder mal ein Sturz dazu. Wenn man danach Sorge haben muß, ob alles noch hält, halte ich das für ungünstig. Auch ohne Unfall ist fraglich, wie sich ein Carbonrahmen in zum Beispiel 20 Jahren verhält, zumal in der Regel auch Verklebungen vorhanden sind. Kunstoff und Klebstoff altern deutlich, Metall praktisch nicht. Das kann man sich bei Oldtimern gut ansehen. Bei verschiedenen Fahrradkomponenten ist Carbon aber durchaus das sinnvollste Material.

Aluminium kann sinnvoll sein, wenn es um gefederte Rahmen geht. Denn durch die nötigen Kleinteile wird ein gefederter Rahmen aus Stahl immer deutlich schwerer sein als einer aus Aluminium. Die hohe Steifigkeit eines Rahmens aus Aluminium kann bei einem ungefederten Rahmen unkomfortabel sein, bei einem gefederten Rahmen spielt das aber keine Rolle beziehungsweise kommt dem Fahrverhalten sogar entgegen. Natürlich werden meine Aluminiumrahmen nach dem Schweißen wärmebehandelt, um eine optimale Haltbarkeit zu gewährleisten. Und wie bei anderen Materialien ziehe ich eine Grenze, wenn es um das geringstmögliche Gewicht geht. Ich möchte ruhig schlafen können. Meine Kunden in der Regel auch.

Viele Grüße,

Georg Blaschke

*Natürlich gab es auch vorher schon Rahmen aus Aluminium. Neben Exoten sind hier besonders Alan, Vitus, Trek und Kettler zu nennen. Alle haben aber den Aluminiumrahmen nicht wirklich vorangebracht in dem Sinne, daß sie zum heutigen Aluminiumrahmen geführt haben. Charlie Cunningham ist hier schon eher zu nennen. Bitte bei allem bedenken: Ich schreibe hier keine wissenschaftlich korrekte Untersuchung oder Doktorarbeit, sondern möchte zum guten Teil einfach interessant unterhalten. Korrekturen oder Ergänzungen sehe ich aber sehr gern, ich möchte auch keinen Unsinn verbreiten.

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3 Kommentare
  1. Gerd permalink

    Toller Leergang ohne die Erwähnung von Vitus.

    • georgblaschke permalink

      Ich möchte mit meinen Beiträgen vor allem meine Arbeit näherbringen und dabei unterhalten, durchaus auch durch Wissensvermittlung. Naturgemäß erhebe ich nicht den Anspruch, in ein paar Zeilen wirklich grundlegend und umfassend zu schreiben. Ich habe Vitus, jetzt auch im P.S. erwähnt, und gleich auch noch Trek und Charlie Cunningham dazu. Und immer noch viele ausgelassen. Bitte lassen Sie mich wissen, wenn etwas von Vitus im Haupttext beschrieben werden sollte. Auch ich selbst lerne natürlich immer noch dazu, habe Vitus aber immer für einen Vertreter des ausgestorbenen Seitenzweiges der geklebten Aluminiumrahmen gehalten. Das soll keine Verdienste schmälern, hat aber auch nicht gerade zu den heutigen Aluminiumrahmen geführt.
      Der Titel meines Beitrages war übrigens nicht wirklich als Lehrgang gedacht (wie auch in den paar Zeilen), sondern eine ironische Nutzung eines Titels historischer politischer Literatur.

      Viele Grüße,
      Georg Blaschke

  2. Gerd permalink

    Aha, jetzt ist alles klar. Macht schon Sinn in diesen Zeiten Stalins Werke auszugraben

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